Neustraße 22

Elternhaus von Pater Petrus Sinzig

In dem schmalen Fachwerkhäuschen lebten von 1645 bis 1725 zunächst Schneider mit ihren Familien. In den kommenden gut 100 Jahren wechselten die Bewohner dann häufig, meist waren es Weinbauern oder Tagelöhner. Seit spätestens 1870 schließlich war das Gebäude im Besitz des Bäckers Franz Stephan Sinzig, dessen gleichnamiger Enkel, der spätere Pater Petrus Sinzig, am 29. Januar 1876 hier geboren wurde. Dieser trat bereits mit 16 Jahren dem Franziskanerorden bei und reiste schon bald als Missionar nach Brasilien aus. Dort war er als Journalist, Redakteur, Komponist und Dirigent tätig und spielte eine bedeutende Rolle im kulturellen Leben Brasiliens. Der Franziskaner gründete mehrere Zeitungen und Zeitschriften sowie einen Verlag und verfasste etwa fünfzig Romane, Novellen, Essays und Übersetzungen, ein Musiklexikon, zwei Biographien sowie seine Erinnerungen.

Pater Petrus Sinzig widmete sich außerdem der Reform der katholischen Kirchenmusik in Brasilien, komponierte im Laufe seines Lebens u.a. 70 vor allem kirchenmusikalische Werke und trat auch selbst als Dirigent auf. Er spielte sieben Instrumente, war Professor und Direktor der „Escola de Música Sacra“ sowie Mitglied der brasilianischen Musikakademie. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland bezog er schon früh in der Presse Rio de Janeiros Stellung gegen die NS-Diktatur. Er war darüber hinaus 1942 maßgeblich an der Gründung der Bewegung „Freies Deutschland“ in Brasilien beteiligt, einem Kreis von deutschen und österreichischen Hitler-Gegnern, in dem sich vor allem christliche Emigranten wiederfanden.

Seine Heimatstadt Linz ehrte ihn nach seinem Tod 1953 mit der Umbenennung der einstigen Alleestraße in Petrus-Sinzig-Straße.

 

Abb. 1: Das schmale Häuschen einige Jahre vor dem Umbau des Erdgeschosses 1933. Das Fachwerk wurde 1968 freigelegt. © Stadtarchiv Linz am Rhein

Abb. 2: Pater Petrus Sinzig in Brasilien © Privatbesitz